Die Behandlung mit dem medizinischen Blutegel (Hirudo medicinalis) zählt mit zu den ältesten Heilmethoden, die die Menschheit kennt. Das Wort „Egel“ leitet sich nicht etwa von „Ekel“, sondern vom griechischen Wort „echis“ = Schlange ab: die medizinische Bedeutung des Blutegels war im schon im Altertum derart groß, daß er sich vermutlich in Gestalt der Schlange im bekannten Symbol des Aeskulapstabes wiederfindet.

Die Germanen verwendeten die Worte „Blutegel“ und „Heiler“ nahezu synonym; im Englischen wurden die Heiler des Mittelalters als „leecher“ (leech = engl. Blutegel) bezeichnet. Dhanvantari, der indische Gott des Ayurveda, trägt einen Blutegel in einer seiner vier Hände.

Auch Tiere wissen von der heilenden Wirkung der Egel: in bestimmten Regionen der Erde begeben sich erkrankte Rinder instinktiv in egelreiche Gewässer.

Die plastische Chirurgie hat die sensiblen Blutsauger in den 80er Jahren wiederentdeckt, als das abgerissene Ohr eines kleinen Jungen nur mit Hilfe von Blutegeln wieder anwachsen konnte. Auch heute werden z. B. Hauttransplantate, welche drohen, abgestoßen zu werden, erfolgreich mit Egeln gerettet. Zunehmend erleben Blutegel eine Wiederentdeckung in der modernen Heilkunst.

Blutegel…

• können mit einer Blutmahlzeit 1-2 Jahre auskommen
• ””können durch das Saugen ihr Körpervolumen auf das Fünffache vergrößern
• ””besitzen 240 mikroskopisch kleine Kalkzähnchen
• ””können elegant schwimmen wie ein Delphin
• ””haben eine schöne Rückenzeichnung
• reinigen ihre Bißstelle enzymatisch
• ””besitzen keimfreie Speicheldrüsen
• ””stammen in unserer Praxis aus einem zertifizierten Zuchtbetrieb
• ””werden nach der Behandlung nicht wiederverwendet
• ””können ein Alter von bis zu 25 Jahren erreichen

Die Wirkung des Blutegels ist doppelt: die ausleitende Wirkung des milden Aderlasses führt einerseits zu einem Ausschwemmen von Entzündungs- und Giftstoffen. Andererseits wirkt jeder einzelne Egel wie eine Art lebendige Spritze auf den Körper: während des Saugvorgangs gibt der Egel seinen Speichel, die sog. „Saliva“, in die Bißstelle hinein, einen Wirkstoffcocktail aus inzwischen 18 bekannten Wirksubstanzen. Bis heute lässt sich diese besondere Wirkung nicht über Tabletten oder Spritzen erreichen, sondern ausschließlich mit Hilfe des lebendigen Egels.

Blutegel wirken schmerzlindernd, entzündungshemmend, durchblutungsfördernd und gerinnungshemmend, regen den Lymphfluß und die Blutbildung an und verbessern die Abwehrkräfte des Körpers.

Der bekannteste Wirkstoff ist das Hirudin, abgeleitet von „Hirudo“= Egel. Hirudin bewirkt zusammen mit Calin eine Hemmung der Blutgerinnung, um das Blut während des Saugvorgangs fließfähig zu halten. Beide sind verantwortlich für die bis zu 24 Stunden andauernde Nachblutung und Reinigung der Wunde, den bekannten, milden Aderlaß.

Die Hyaluronidase (aufgrund der Wirkung auch als “Ausbreitungsfaktor” bzw. „spreading factor“ bezeichnet) macht das Bindegewebe durchgängig und bahnt damit den Weg für die Ausbreitung der weiteren Wirkstoffe im Gewebe. Möglicherweise fällt der Hyaluronidase auch eine antibiotische Wirkung zu, da auch die Schleimhüllen von Bakterien zersetzt werden können.

Zu den sich weit um die Bißstelle herum verteilenden Wirkstoffen zählen u. a. Egline, Bdelline, Apyrase, Destabilase, Pyavit und Kollagenase. Sie spielen unterschiedliche Rollen bei der entzündungshemmenden und schmerzstillenden Wirkung des Blutegels. Eine weitere histaminähnliche Substanz wirkt gefäßerweiternd und durchblutungsvermehrend.

Zur Egeltherapie liegen Sie bequem auf einer Untersuchungsliege oder sitzen auf einem Stuhl. Die Egel werden z. B. über dem Knie, auf dem Rücken oder dem Unterschenkel auf die Haut aufgesetzt. Wir arbeiten wir nach der Methode der „Hirudinopunktur“, einer Kombination aus Akupunktur und Egeltherapie, bei der die Egel auf Akupunkturpunkte aufgesetzt werden, wodurch sich die Wirkung noch weiter steigern lässt.

Dort raspeln Sie sich schnell und schmerzarm durch die Haut. Während des Saugens gewinnt der Egel an Größe und fällt nach ca. 30 – 90 Minuten spontan ab. Nach einer Nachblutungszeit von ca. 15 Minuten wird der Verband angelegt.

Die Behandlung kann montags, dienstags oder donnerstags jeweils am Vormittag erfolgen. Die Aufenthaltsdauer in unserer Praxis beträgt dabei ca. 3-4 Stunden. Da die Egelstellen bis zu 24 Stunden nachbluten können, müssen am gleichen Nachmittag sowie am nächsten Vormittag jeweils eine Wundkontrolle mit Verbandswechsel in der Praxis durchgeführt werden.

Da die Bißstellen häufig erst nach 3-4 Tagen beginnen, Juckreiz hervorzurufen, erhalten Sie von uns vorbeugend eine juckreizstillende homöopathische Salbe mit nach Hause. Die entstehenden Narben sind nur millimetergroß und haben die Form eines Mercedessterns. Sie verblassen in der Regel innerhalb weniger Monate.

Vor der Behandlung ist die Bestimmung Ihrer Eisen und Gerinnungswerte erforderlich. Die notwendige Blutuntersuchung sollte spätestens 10 Tage vor der Therapie erfolgen. Sofern Ihnen bereits Laborwerte vorliegen sollten, z. B. von Ihrem Hausarzt, können Sie diese gerne alternativ mitbringen; diese dürfen jedoch nicht älter als 4 Wochen sein.

Bitte beachten Sie, daß Sie vor der Behandlung die Haut nur mit klarem Wasser waschen und keine Duftstoffe verwenden dürfen, da die Egel ansonsten nicht beißen. Bitte tragen Sie bequeme Kleidung, die auch verschmutzen kann.

Nach der Behandlung sollten Sie ausreichend Flüssigkeit trinken. Da der Verband möglicherweise beim Autofahren behindern kann und aufgrund des Aderlaßeffektes der Kreislauf geschwächt sein könnte, empfehlen wir, sich nach der Behandlung abholen zu lassen. Am Tage der Behandlung sollten Sie für Ruhe sorgen und nicht zur Arbeit gehen.

Blutegeltherapie ist ein hochwirksames Therapieverfahren. Prinzipiell kann schon eine einzelne Behandlung ausreichen, um eine deutliche Beschwerdelinderung herbeizuführen. Je nach Beschwerdebild können für eine langanhaltende Wirkung jedoch bis zu 1 bis 3 Wiederholungen im Abstand von 4 bis 8 Wochen erforderlich sein.

Wir sind seit mehr als 20 Jahren überzeugt von der Therapie mit medizinischen Blutegeln und wenden diese seitdem regelmäßig in unserer Praxis an.